Gedanken zum Heiligen Jahr 2025 von Bischof Glettler

Hoffnung – lässt nicht zugrunde gehen

Hoffnung ist uns tief ins Herz geschrieben. Sie ist der innere Antrieb, der lange Atem angesichts der vielfältigen Zumutungen des Lebens. Hoffnung ist gefragt – nicht erst dann, wenn die Gesundheit bedroht ist. „Solange ich atme, hoffe ich“ – der Gelehrte Cicero hat verstanden, dass wir bis zum letzten Atemzug zumindest eine Restmenge Hoffnung benötigen. Ohne Hoffnung kann kein Mensch überleben, auch keine Gesellschaft. Wir sind global gesehen nahe an einigen kritischen Kipp-Punkten. Die großen Ökosysteme unserer Erde beginnen zu flackern, wie die Experten sagen. Dieses Bild verwende ich für das emotionale Flackern einer nervösen Gesellschaft. Unsicherheit und Unbarmherzigkeit liegen in der Luft, auch viele Ängste und Hoffnungslosigkeit. Umso wichtiger ist es, „jedem Rede und Antwort zu stehen“, der nach dem vernünftigen Grund unserer Hoffnung fragt, wie es im ersten Petrusbrief heißt (1 Petr 3,15).

Pilgerschaft der Hoffnung

Mit großer Weitsicht hat Papst Franziskus das Heilige Jahr 2025 unter das Motto „Pilger der Hoffnung“ gestellt. Er ermutigt uns, in diesem Jahr das nötige Vertrauen wiederzufinden – „in den zwischenmenschlichen Beziehungen, in der Förderung der Würde eines jeden Menschen und in der Achtung vor der Schöpfung“. Mich überzeugt das Bild von der Pilgerschaft, denn Hoffnung ist kein Fertigprodukt, sondern ein Weg. Viele kleine Schritte sind notwendig und niemand soll zurückgelassen werden. Dafür stehen wir als synodale Kirche. Wir sind gemeinsam unterwegs mit gläubigen und suchenden Menschen – inmitten einer bunten Gesellschaft. Letztlich leben wir von der Hoffnung, die Menschen vor uns zum Durchhalten motiviert hat. Jeder von uns kann Personen aufzählen, die trotz vieler Entbehrungen und Belastungen nicht aufgegeben haben. Manche darunter waren Alltagsheilige! Sollten wir verzagen?

Hoffnung miteinander teilen

Im November wurde St. Hedwig, der katholische Dom in Berlin, nach einer langjährigen Sanierung wieder geöffnet. Ich durfte in der Unterkirche ein Kunstwerk installieren, das die Hoffnung thematisiert, die über unser irdisches Leben hinausweist. Erzbischof Heiner Koch erzählte mir am Rande der Feierlichkeiten von einer Begegnung mit einem Professor der Humboldt-Universität: Obwohl er sich selbst als Agnostiker bezeichnete, bat er ihn, für seine sterbenskranke Frau zu beten. Als sie dann verstarb, lud er den Bischof zum Begräbnis ein. Es war eine rein säkulare Feier. Bei der persönlichen Verabschiedung nach der Zeremonie versicherte ihm der trauernde Mann, dass seine Anwesenheit für ihn das Wichtigste gewesen sei. Darauf erwiderte Heiner Koch etwas überrascht, dass er nichts beigetragen habe. „Doch“, antwortete der Professor, „Sie stehen für eine Hoffnung, die wir uns selbst nicht geben können.“ Mich bewegt diese Geschichte. Manchmal wird uns auch selbst erst in einer existentiellen Krise bewusst, dass die einzige, auch über den Tod hinaustragende Hoffnung, Jesus selbst ist.

Hoffen gegen alle Resignation

Wenn die Hoffnung versiegt, schwindet die Lebenskraft. Das Warum und Wozu es sich lohnt, das Leben anzupacken, geht verloren. Resignation legt sich nahe. Auch in der zunehmenden Gereiztheit und Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft kann sich Hoffnungslosigkeit ausdrücken. Die Sprache verroht und das soziale Miteinander wird kälter. Was tun? Hoffnung wäre die nötige Alternative – aber sie lässt sich nicht machen. Sie ist ein Geschenk Gottes. Aus diesem Grund nennen wir sie eine „göttliche Tugend“. Sie „lässt nicht zugrunde gehen“, wie Paulus im Brief an die junge christliche Gemeinde in Rom schreibt (Röm 5,5), weil sie uns Gott mit dem Geist seiner Liebe ins Herz gegossen hat. Dieses intensive Bild bringt zum Ausdruck, dass wir innerlich erfüllt sind, nicht leer. Wenn wir dem Heiligen Geist in uns Raum geben, wachsen Widerstandskraft, Freude und Kreativität, die wir dringend brauchen – in allem!

Die Wallfahrt zueinander

Ein Tiroler Pfarrer hat mir erzählt, dass er bei einer Lourdes-Wallfahrt einen Gottesdienst mit der Einladung zur Krankensalbung feiern wollte. In der Vorbereitung bemerkte er jedoch, dass sich in der Gruppe kaum Kranke befanden, sondern vielmehr Angehörige, die stellvertretend für viele zum Gnadenort aufgebrochen sind. Klar war dem Pfarrer, dass er keine Als-ob-Geschichte machen wollte. Aber was tun? Schließlich lud er dennoch alle zur Salbung ein, aber mit dem Auftrag, dass sie unmittelbar nach dem Heimkommen jene Menschen aufsuchen sollten, für die sie unterwegs waren – ihnen sollten sie „die gesalbten Hände“ auflegen. Und sie taten es. Viele erzählten, dass sie bei diesen Besuchen sehr viel Hoffnung vermitteln konnten. Es war eine echte „Wallfahrt zueinander“. Machen wir bitte im „Heiligen Jahr“ viele Besuche dieser Art – persönlich und pfarrlich organisiert. Es ist wichtig, dass wir einander Hoffnung zusprechen!

Hoffnung als „Handwerk“

Vermutlich sprechen wir vom wichtigsten Handwerk, das jeder von uns ausüben kann: Trösten, jemandem unter die Arme greifen, die Hände zum Teilen öffnen. Aufhelfen und anpacken, wo es nottut – und sich dabei auch die Hände schmutzig machen. Jemandem am Krankenbett die Hand halten oder streicheln – und gelegentlich einander eine Umarmung schenken. Ich denke ganz besonders auch an die vielen Handgriffe der Hoffnung in der Begleitung von Kindern und Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Unzählige „Handreichungen“ in der Pflege und in den vielen sozialen Berufen. Nicht zuletzt ist es notwendig und heilsam, einander die Hand zu reichen, wenn Lieblosigkeit und Verletzungen Menschen entzweit haben. Hoffnung kehrt dorthin zurück, wo Versöhnung geschieht. Es braucht den Mut für den ersten Schritt – eine verkrampfte Hand, die sich löst, und eine Bitte um Entschuldigung. Ein Neubeginn ist immer möglich!

Mit dem Anker der Hoffnung

Hoffnung ist mehr als Optimismus. Wer hofft, bleibt Realist – er muss Schwierigkeiten nicht schönreden, Probleme nicht verdrängen. Hoffnung ist die nötige Spannkraft des Herzens, bewirkt Geduld und lässt uns das Leben annehmen, so wie es ist – vorläufig und niemals perfekt. Christliche Hoffnung stützt sich auf Gottes Verheißung einer neuen Welt, in der es eine größere Gerechtigkeit geben wird, Lebens- und Zukunftschancen für alle. Wirkliche Hoffnung erdet den Menschen. Nicht zufällig ist ihr Symbol der Anker. Auch in stürmischen Zeiten und bei möglichen Gegenwinden können wir einen Aufbruch wagen. Das Schiff des persönlichen Lebens und das Schiff der Kirche werden nicht an einem Felsen zerschellen. Wer hofft, ist in Gott verankert. Seine Zusage von Nähe trägt und vertreibt alle Furcht. Begeben wir uns in dieser Weise von Neuem auf eine schöne und herausfordernde Pilgerschaft der Hoffnung!

Den Segen Gottes dafür erbitte ich für alle Menschen.
Bischof Hermann Glettler


Im Heiligen Jahr laden die Diözesen ein, Orte der Hoffnung zu entdecken. Es sind dies besondere Plätze und Kirchen in Tirol. Diese Orte der Hoffnung sind Räume, die Kraft und Trost spenden. Die Diözese lädt alle ein, dort den Segen des Heiligen Jahres zu erfahren. Hier eine Übersicht einiger dieser Plätze:

Basilika Maria Absam
Dom St. Jakob in Innsbruck
St. Justina in Assling
Wallfahrtskirche Maria Schnee in Virgen
Wallfahrtskirche Domitz bei Nassereith
Wallfahrtskirche Maria Locherboden
Wallfahrtskirche Kronburg (bei Schönwies)
Basilika von Stams
St. Georgenberg
Pfarr- u. Wallfahrtskirche Serfaus
Pfarr- u. Wallfahrtskirche in Götzens
Basilika Mariathal
Wallfahrtskirche Maria Rast in Zell am Ziller


Wallfahrt des Seniorenbundes Bezirk Innsbruck am 13. Mai 2025

Am Dienstag, 13. Mai findet in der Wallfahrtskirche u. Jubiläumskirche Dormitz (bei Nassereith) um 14:00 Uhr ein feierlicher Gottesdienst mit Mons. Helmut Gatterer statt. Wir laden alle Mitglieder herzlich ein! 

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